Veröffentlicht in Campo de Criptana
Heft 6, 3. Quartal 2004  
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Phoenix-Chef Bodo Hauser starb Ende Juli. Am Tag darauf schloss man das Internetforum des Senders. Der Zustand des Forums macht daraus eine gute Tat.


Phoenix in der Asche

Über Dummheit und Unmündigkeit heute wie damals in "Mayer-Deutschland"


Von Hartmut Hannaske


"Da Sie keinerlei Einsicht in die von uns vorgetragene Position haben und wir nicht länger gewillt sind, Ihren Stil, Ihre Behauptungen und Ihre offensichtlichen Vorurteile in unserem Forum zu dulden, verweisen wir Sie hiermit des Forums". Sind das nicht die gleichen Worte, mit denen mir damals 1988 das Auftrittsverbot als Liedermacher in Ostberlin mitgeteilt wurde? Und bin ich nicht wieder wie damals von massenhaft infantiler Polemik umzingelt und steht nicht wieder der Chef einer staatlichen Informations- und Kulturanstalt auf der Seite von Anmaßung und Willkür?

Ist es etwa schon wieder Zeit in Deutschland für einen Text "Die Charakterlosen, die Feigen, die Dummen und der ganz Dumme", den ich damals im Rückblick auf meine Bürgerrechtszeit schrieb, um neben dem eigenen Wirken vor allem auch die Arroganz und Dummheit ostdeutscher "Eliten" nicht vergessen zu lassen.

"Lieber Gott, ach wär
ich doch so populär,
wie Pastor Friedrich Schorlemmär"

schrieb ich damals den oben erwähnten autobiographischen Beitrag zur Aufarbeitung von DDR-Geschichte einleitend und so fortsetzend: "dann könnte ich auch hin und wieder in den Medien meine Meinung kundtun, auch wenn es wie im Fall des preisgekrönten Pastors nicht gerade der Weisheit letzter Schluss ist, um es ganz vorsichtig auszudrücken." Ja, es würde garantiert niemand wagen, Herrn Pastor Schorlemmer in einem öffentliche rechtlichen Meinungsforum zu sperren, und der Programmgeschäftsführer von Phönix würde sich hunderttausendmal entschuldigen, wenn es versehentlich passiert wäre, wie auch im Falle anderer populärer Vertreter weiter Kreise von ostdeutschen Bürgerrechtlern, Intellektuellen, Dichtern, und Schriftstellern, die noch bis zuletzt Märchenlieder vom wahren Sozialismus singend mit der großen roten Trommel um den Weihnachtsbaum gelaufen sind, während hunderttausende Ausreiseantragsteller längst begriffen hatten, wohin der Hase läuft. Und die Dümmsten der Dummen faselten sogar noch von Sowjeträten.

Verbildet borniert,
kurz gesagt dumm,
so treibt sich ein Marxbart
im Untergrund rum.

Sprachlich exzellent,
deshalb wirkt er weise,
proklamiert er fanatisch
seine Räteklugscheiße.

Dort wo man mündig,
interessiert das kein Schwein,
doch unsere Deppen
falln noch immer drauf rein.

Wie freu'n sich da hämisch
Mielke und Co.
über die Scharlatane
auf dem Sektenniveau.

Und die Scharlatane von der oppositionellen Berliner Umweltbibliothek untersagten mir doch tatsächlich nach einem Verbot durch Stasi und Berliner Kulturbehörde den Auftritt in ihren Räumen. Weil ich nicht ihrer politischen Meinung war. Weil ich auf meinen in Kirchenkreisen verteilten und mit "Die Herabwürdigung" betitelten Kassetten die Gebrüder Marx und Lenin als Märchenerzähler bezeichnet und den Westen und die deutsche Einheit zur einzig vernünftigen Alternative erklärt hatte und weil ich mich über all die anders denkenden Ahnungslosen lustig machte.

Drum sagt ich mir,
mach Dich doch hier
weiter nicht zum Hans,
lass die doch da im eig'nen Saft
mit ihrer Arroganz,
frustriert zog ich die Lehre,
es will Dich hier kein Schwein,
'ne Untergrundkarriere
macht lieber man allein.

Ich schrieb mein Wissen nieder,
in Reime kreuz und quer,
verschaff mir jetzt mit Liedern
Stimme und Gehör,
da quatscht niemand dazwischen,
und niemand unterbricht,
ja Lieder, die sind ideal
für'n Schlauen so wie ich.

Und als Krönung der Scharlatanerie unterzeichnete Herr Schorlemmer bereits fünf nach zwölf zusammen mit Stefan Heym und Christa Wolf jeder Logik und jedem Verstand hohnsprechend den Aufruf "Für unser Land", um sich damit ebenso unsterblich lächerlich zu machen, wie der den Aufruf befürwortende Nobelpreisträger Günter Grass. "Was Verbrechen und Dummheit getrennt, soll Moral und Verstand wiedervereinen, für ein Deutschland, für ein Europa, für eine Welt!" schrieb ich dagegen, spielend leicht logisch denkend. Ganz Osteuropa hätte sich den Bauch vor Lachen gehalten, hätten die Ostdeutschen das Angebot der stärksten Wirtschaftsmacht Europas zur Einheit abgeschlagen. Und sie würden heute noch lachen, zusammen mit fast allen Westdeutschen, die jetzt über die erdrückende Schuldenlast jammern. Der dümmste Bauer auf dem Dorf hatte mehr Verstand als diese "Eliten", auch wenn er mit: "Die haben uns billig offgekoooft", den damaligen Standardsatz der Dummen nachgeplappert haben sollte. Ist es fair, so hart mit der doch wohl allerorts und nicht nur dort vorhandenen Dummheit ins Gericht zu gehen?

Dumme können sich auch ändern,
Dumme werden manchmal klug,
ich war selbst so lang ein Dummer,
Dummer lang genug.

Diese Frage stellt nur jemand, der nicht wie ich die unglaubliche Arroganz dieser Leute am eigenen Leib verspürt hat, diese unglaubliche Überheblichkeit derjenigen, die immer im Namen des Volkes sprachen, aber es gleichzeitig und jeden Andersdenkenden für dumm erklärten.

Und die gleiche Arroganz und Dummheit wurde dann auch auf der anderen Seite sichtbar, als der erste Westgrüne a la Ströbele Ende 1989 mit am Bürgerrechtstisch saß und fast grün vor Abscheu wurde, nur weil ich das böse und verbotene Wort "Wiedervereinigung" ausgesprochen hatte. Und eigene Mitstreiter sahen mich vorwurfsvoll und sich fast für mich schämend an, die, denen ich vorher nach ellenlangen Diskussionen wenigstens und immerhin  ausreden konnte, die Ablehnung der deutschen Einheit in den grünen Parteigründungsaufruf zu schreiben. Aber zum Trost der Dummen: Viel dümmer als der jetzige Bundeskanzler, Außen- und Finanzminister mit deren ablehnenden Haltung 1989 zur Einheit waren sie ja auch nicht.

"Da Sie keinerlei Einsicht in die von uns vorgetragene Position haben und wir nicht länger gewillt sind, Ihren Stil, Ihre Behauptungen und Ihre offensichtlichen Vorurteile in unserem Forum zu dulden, verweisen wir Sie hiermit des Forums". Das ist das Urteil von Forumsgott Gregor J. Mayer, das er in einer mit DDR-Zensoren absolut identischen Wortwahl fällt. Gregor J. Mayer, Internetbeauftragter der Mainzer CDU und Beisitzer im CDU-Vorstand von Mainz-Gonsenheim, ZDF-Redakteur und allmächtiger Bestimmer über das geschriebene Wort im Online-Meinungsforum des öffentlich rechtlichen Fernsehkanals Phoenix. Nach seinem Gutdünken, nach seinen Launen, nach seiner Sympathie fällt die Entscheidung über Willkür und Narrenfreiheit.

Und die im Forum mit Narrenfreiheit belegte Personifikation von Dummheit, infantilster antiamerikanischer und antiisraelischer Polemik und persönlichster Beleidigung grinst frech und freut sich hämisch über das Verbot des Andersdenkens, nachdem sie gerade Amerika und Israel zu Diktaturen ohne Recht und Meinungsfreiheit erklärt hat. Und andere, die sich nicht darüber freuen, erklären heimlich ihre Solidarität. Aber Psssst. Bloß nicht den allmächtigen Forumsgott was mit kriegen lassen und ihn verärgern. Als ob der nicht von den eigenen Gebühren bezahlt wäre und sein Amtsmissbrauch und seine dummdreiste Unterdrückung der Meinungsfreiheit eine bodenlose Unverschämtheit und Anmaßung ist, eine ungeheuerliche Pervertierung des öffentlich rechtlichen Auftrages seines Senders, die es verdiente, dass ein Vorgesetzter ihm das Grundgesetzbuch zwanzigmal apportieren lässt, um ihm danach mit dem energischen Befehl "Platz !" begreiflich zu machen, wo sein kleiner Moderatorenplatz ist und dass seine Aufgabe lediglich im Schutz der Sachlichen vor den persönlichen Angriffen der Dummen besteht.

Wie ermutigend schön wäre es, wenn sich alle die von Mayer entmündigten Forumsteilnehmer ihrer Entmündigung bewusst und ihn per Mail mit den Worten aus dem Film "Good Morning, Vietnam" etwas vom Nötighaben, einen geblasen zu bekommen, erzählen würden. Aber so leicht ahmen deutsche Duckmäuser keine amerikanischen Filmhelden nach, auch wenn sie die noch so bewundern, viel mehr, als amerikanische Helden, die für den Sturz schlimmster Regime ihr Leben opfern. Im Gegenteil, die werden im Forum genauso maßlos diffamiert, wie die Israelis, die sich nur mit der gebotenen Härte dagegen wehren, dass 50 Jahre nach dem Holocaust wieder und immer noch jüdische Frauen und Kinder auf bestialische Weise abgeschlachtet werden.

Und die daran mitschuldigen Medien überbieten sich derweilen im billigen Antiamerikanismus und Antiisraelismus, dass man den Verdacht hegt, überall säßen Mayers: Mayers in den Zeitungs- und Mayers in den Fernsehredaktionen. Und dazu kommen dann noch die Mayers in den Musikredaktionen von Radio und Fernsehen, die keinerlei Wert mehr auf deutsche Texte zum Nachdenken legen und lieber mit inhaltsloser englischsprachiger Retortenmusik die Menschen verblöden lassen, wie die Mayers im Kulturministerium, die tatenlos bei dieser gefährlichen geistigen Degeneration eines Volkes zusehen. Und nicht zu vergessen, die Mayers mit der Stoiberphobie in den Medien, die es wirklich geschafft haben, dass die Deutschen einen Mayer zum Bundeskanzler wieder wählten, den sie gar nicht mehr wollten, um es hinterher selber peinlich berührt auf Flut und Irakkrieg zu schieben, einen Mayer, der Schröder heißt und der mit innen- und außenpolitischer Formatlosigkeit glänzte, der die antiamerikanische Infantilität der Deutschen weiter vergrößerte und der mit Dilettantismus und Reformunfähigkeit per Excellence erst Massen in die Entlassung trieb, um sie jetzt fünf vor zwölf in der Armut landen zu lassen. Und im Fußball löst ein Mayer den anderen Mayer als Trainer ab, engagiert von Mayer-Vorfelder. Überall Mayers in Mayer-Deutschland.

Dafür habe ich also damals etwas riskiert? Dafür, dass ich mir heute wieder von Dummen dermaßen dumm kommen lassen muss? Da sträubt sich alles in mir. Da erwacht nochmal der verschollen geglaubte Kampfgeist. Und war ich nicht schon damals letztlich der ganz Dumme, der komisch tragische Held, wie ich es in meinem letzten DDR-Lied geschrieben hatte:

Warum hast Du nicht durchgehalten,
Erich, noch'n viertel Jahr, dann wär ich
hier im Lande, der Dissidentenliederstar,
vor Neid hätten nasse Hände,
Biermann, Krawzcyk und die Klier,
doch dannn kam die Wende
und kein Schwein guckt mehr nach mir.

Und jetzt schon wieder der ganz Dumme ? Dass mich niemand für damals gewürdigt hat, OK. Ich bin nicht der einzige, der statt Glück Pech im Leben hat, auch weil man sich zu oft selber zu dumm angestellt hat. Das passiert Millionen. Aber dass jetzt auch noch so ein kleiner Forums-Mayer und sein Narr auf mich spucken darf, das ist des "Guten" zuviel. Ich habs mir anders überlegt, Freunde. Ich gebe mich jetzt doch nicht mit einer Würdigung postum in hundert Jahren zufrieden. In einem Land, wo kleine Mayers sich so groß aufspielen dürfen und in den Medien aufgrund von Kleinkariertheit und Formatlosigkeit ein Volk verdummt wird, da werde ich eigene Größe nicht länger verstecken.

Also, so seht denn meine fast fertige neue Website www.hannaske.de. Die habe ich erstellt, weil ich Zeit dazu hatte. Und warum hatte ich Zeit? Weil ich im Phoenixforum gesperrt und so von der Sucht geheilt wurde, Dumme aufklären zu müssen. Danke Mayer!!

Kommt her, alle die ihr beladen seid mit den Folgen der geistigen Kleinheit deutscher Medien und deutscher Politiker, schaut auf diese Website und erkennt Mut, Intelligenz, Talent und die Weitsicht eines Mannes in der ersten geglückten deutschen Revolution. Kommt kleine Forenmoderatoren a la Mayer und kniet ehrfürchtig nieder und bereut, dass ihr es wagtet, das in den Dreck zu treten, für das Millionen starben und auch Hannaske stritt, für Mündigkeit und Meinungsfreiheit.

Komm neuer Bundespräsident, kommt her Stiftungen und Medien. Kommt und spendiert nach vielen Preisen und Anerkennung für die Schorlemmers auch mal was für die Hannaskes, für die, mit Mut UND Verstand.