*An Humboldtuniversität geschicktes Original, 1987

Anlage zu "Mit Logik zum Glauben"

Antwortschreiben auf ein leider verlorengegangenes "Gutachten" der Sektion Marxistisch-leninistische Philosophie der Berliner Humboldtuniversität zur obigen Abhandlung, die ich 1987 unter der Überschrift "Wissenschaftliche Darlegung zur Stellung des Menschen in der Natur" und in einer abgewandelten Form und unter der Annahme der Richtigkeit des Materialismus an den Prorektor der Berliner Humbolduniversität zur Begutachtung geschickt habe.

Dazu hatte ich auch nach Fertigstellung der Abhandlung 1983 gefundene Ansichten von Albert Einstein und Karl Kautsky angegeben, die sinngemäß lauteten:

Karl Kautsky: Die scheinbare Freiheit liegt in der Gegenwart und Zukunft. Die Vergangenheit ist notwendig

Albert Einstein (Zitat von Schoppenhauer): Der Mensch kann zwar tun was er will, aber nicht wolln, was er will.

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Dr. F. Naumann, Humboldtuniversität,
Sektion Marxistisch-leninistische Philosophie
                                         
Berlin  den  22.6.87
Sehr geehrter Herr Dr. Naumann !

Vielen Dank für Ihr "Gutachten" und damit für Ihr Bemühen, eine Materie geistig zu durchdringen, deren Durchdringung aber augenscheinlich Ihr Vermögen und das Ihres Fachbereiches übersteigt. Nicht ohne Grund habe ich meine Abhandlung nicht an Ihre und damit an die eigentlich zuständige Sektion sondern an den Prorektor mit der Bitte um Weiterleitung an kompetente Mitarbeiter adressiert. Es tut mir leid, daß trotzdem die Aufgabe auf ihrem Tisch gelandet ist, der Sie aufgrund Ihrer Ausbildung nicht gewachsen sein können. Ich kann Ihnen deshalb die Unfähigkeit, selbständig zu denken anstatt Platitüden von sich zu geben und anzweifelbare Philosophen zu zitieren, nicht vorwerfen. Da Sie verständlicherweise einer weiteren Diskussion mit mir aus dem Wege gehen, möchte ich wenigstens mit diesem Antwortschreiben auf Ihr "Gutachten" versuchen, durch Denkanstöße Ihr Auswendiggelerntes zu erschüttern.

1. Universelle Wechselwirkung der Materie und aus ihr herausgelöste Kausalreihen

Die Materie bewegt sich in universeller Wechselwirkung.Für das Erkennen von kausalen Zusammenhängen in der Bewegung der Materie ist deshalb die Betrachtung der gesamten universellen Wechselwirkung unabdingbar. Unter dieser Voraussetzung ist es dem Menschen aber nicht möglich, für ihn wichtige kausale Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Bewegung von Teilen der Materie zu erkennen.
Dem Menschen genügt für sein Wirken in Natur und Gesellschaft das Erkennen von Gesetzmäßigkeitsnäherungen. Dafür ist es zulässig und notwendig, aus der universellen Wechselwirkung herausgelöste Kausalreihen zu betrachten. Bei der Untersuchung herausgelöster Kausalreihen bedient sich der Mensch einer Begriffswelt, die er nicht unverändert auf die universelle Wechselwirkung der Materie anwenden darf. So ist die Begriffswelt der mechanischen Physik für die Beschreibung der Bewegung der Materie in ihrer Gesamtheit ungeeignet. Ebensowenig sind philosophische Kategorien wie Kausalität, Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit und Zufall, die aus der Betrachtung herausgelöster Kausalreihen entstanden sind, unverändert auf die universelle Wechselwirkung der Materie anwendbar. Bei der Begründung bzw. Widerlegung des sich aus dem Materialismus erwachsenen Fatalismus handelt es sich um eine Analyse der universellen Wechselwirkung der Materie. Jede Argumentation mittels herausgelöster Kausalreihen und der damit verbundenen Begriffswelt ist hier unzulässig. Diesen Fehler begehen Sie in ihrem "Gutachten" und die von ihnen zitierten und vergötterten Philosophen.

2. Kausalität, Notwendigkeit, Gesetzmäßigkeit und Zufall

Bei der Betrachtung herausgelöster Kausalreihen haben diese Begriffe folgende Bedeutung: Kausalität beschreibt den Umstand, daß eine Wirkung eine Ursache hat. Notwendigkeit beschreibt den Umstand, daß eine Wirkung eine eindeutige Ursache hat. Zufall beschreibt den Umstand, daß eine Ursache verschiedene Wirkungen haben kann. Gesetzmäßigkeit beschreibt den Umstand, daß eine Notwendigkeit allgemeinen und wiederholbaren Charakter trägt. Diese Begriffswelt hat nur Sinn, wenn von der Wiederholbarkeit einer Ursache ausgegangen wird. Als Beispiel: Das Werfen eines Würfels ist wiederholbar. Wenn ich eine 4 werfe, handelt es sich hierbei um eine nicht notwendige, nicht gesetzmäßige, zufällige Kausalität, da bei gleicher Ursache, dem Werfen des Würfels, sechs verschiedene Wirkungen möglich sind. Anders verhält es sich aber, wenn ich das Würfeln nicht herausgelöst aus der universellen Wechselwirkung der Materie betrachte. Aus der vorher einfachen Ursache, dem Werfen des Würfels, wird jetzt eine komplizierte, nur durch unendlich viele Komponenten zu beschreibende Ursache. Die Ursache ist nicht
wiederholbar. Wäre die Ursache wiederholbar, gäbe es keinen logischen Grund zur Annahme, daß verschiedene Wirkungen einträten, das heißt nicht immer die gleiche Zahl gewürfelt werden würde.
Die oben definierte Begriffswelt ist für die Beschreibung der universellen Wechselwirkung gänzlich ungeeignet, da es in ihr keine wiederholbaren Ursachen gibt und jede Wirklichkeit nur eine Möglichkeit hat. Das Kausalitätsprinzip für die Bewegung der Materie in ihrer universellen Wechselwirkung lautet: Jede Ursache hat eine eindeutige Wirkung, jede Wirkung eine eindeutige Ursache. Jede andere These widerspricht dem Materialismus. Zusammengefaßt sind Kausalität, Notwendigkeit und Gesetzmäßigkeit bei der materialistischen Betrachtung der Welt in Ihrer universellen Wechselwirkung identische Begriffe. Jede andere Auffassung führt zu heillosem Durcheinander und letztlich zu solch konfusen Aussagen des "Gutachters", daß sich gesetzmäßige Bestimmtheit menschlichen Lebens und menschliche Entscheidungsfreiheit nicht ausschließen. Die Fragestellung zur Bejahung oder Verneinung des Fatalismus bei Anerkennung des Materialismus ist nicht die Frage nach der Existenz eines Zufalls, sondern die Frage, ob sich an der notwendigen Bewegung der Materie mit der Entstehung "intelligenter" bzw. "sich bewußter" Materie etwas geändert haben kann. Diese Frage habe ich in meiner Abhandlung beweiskräftig beantwortet.

3. Zu noch unbeantworteten Bemerkungen im Gutachten

Die menschliche Erfahrung ist ein Begriff aus der Betrachtung herausgelöster Kausalreihen. Sie schreiben, der Mensch kann zwischen Alternativen wählen, für diese Wahl ist er verantwortlich, weil er auch anders hätte wählen können. Genau das ist der springende Punkt. Jeder Schachcomputer kann vor einem auszuführenden Zug zwischen mehreren Alternativen wählen. Deshalb kommt niemand auf den Gedanken, daß er auch anders hätte wählen können. Er ist so programmiert, daß er letztlich diesen Zug auswählen muß, den nicht einmal der Programmierer wegen der Verwendung von "Zufallsgeneratoren" im Programm vorhersagen kann. Ebenso sind wir nach materialistischer Sicht über unsere Erbinformationen in Millionen Jahren und durch unsere Umwelt, zu der wir selbst auch gehören, im Verlaufe unseres Lebens programmiert. Wie der Schachcomputer, der den Zug macht, den er machen muß, so müssen wir die Entscheidung fällen, die wir fällen, die niemand aufgrund universeller Wechselwirkung aller Materie vorausberechnen kann, die "das Schicksal selbst nicht kennt".

Zusammenfassung:

Der Verfasser des Gutachtens war wegen fehlendem Fachwissen (eben das hatte mir der Gutachter unterstellt) und wegen fehlendem logischen Denkvermögen nicht in der Lage, die gestellte Aufgabe zu lösen. Ich empfehle dem Herrn Dr. Naumann das Gespräch mit Mitarbeitern der Humboldtuniversität aus wissenschaftlichen Fachbereichen.

Mit freundlichem Gruß

Hannaske