Die große Euphorie und ihr Ende

Dass es 1996 zu einer großen Euphorie bei den Beteiligten am Deutschrock-Projekt "Ich bin Hannaske" kam, ist alleine aufgrund der fettgedruckten Namen im Folgenden erkennbar:

Von 1993-1995 finanzierte ich selbst die Produktion einer CD im Berliner Studio 1058 vom Engerling-Bassisten Manne Pokrandt. Ich lieferte Songtexte und -kompositionen per Vorspiel auf Gitarre und Keyboard und Manne Pokrandt arrangierte mit exzellenten Berliner Musikern wie u.a. die Gitarristen Heinz Glas und Heiner Witte.

1996 fiel die fertige CD "Ich bin Hannaske" mit dem von mir konzipierten und mit dem befreundeten Fotographen Dietmar Kort und dem befreundeten Grafiker Bernd Bachmann erstellten Booklett dem Manager der Inchtabokatables und Exmanager von Rammstein Falco Richter in die Hände, der sich  Anfang 96 mit dem Satz: "Und jetzt machen wir Westernhagen Konkurrenz. !" zur Zusammenarbeit bereit erklärte

Davon erfuhr der erste und berühmteste Manager in der DDR Wolfgang Schubert, genannt Schubi, der Pankow, Holger Biege und andere berühmten Ostggruppen gemanaget hatte, sowie nach der Wende der Manager von Wolfgang Lippert bei der Fernsehshow "Wetten das" und der ExTourneemanager von Udo Lindenberg war und bei unserem Zusammentreffen als Manager von Knorkator und Rio Reiser eine Tour durch Ostdeutschland veranstaltete.

Er überredete mich nach einem 7 stündigen Telefonat, am nächsten Tag mit ihm nach Hamburg zu fahren, um im Hotel Atlantik Udo Lindenberg und den Verlagschef von Polygram Joost van Os zu treffen und ihm persönlich die CD zu übergeben. Ich durfte mein altes Auto mit Beule in der für Udo Lindenberg reservierten Straßenzone vor seinem Hotel parken und mich danach mit Udo, seiner neuen Freundin und Joost van Ost kurz und linkisch unterhalten. Aber Schubi stand mir ja zur Seite. Udo Lindenberg setzte sogar die oberste seiner beiden Sonnenbrillen ab. Danach lud mich Lindenberg noch in sein Studio ein und spielte mir seinen gerade fertiggewordenen neuen Song vor, während andere seine neue Bilderkollektion bewunderten.

Am nächsten Tag teilte mir Schubert mit, dass Jost van Os stundenlang die CD gehört hätte, begeistert sei, dass er sofort 10 CDs geordert hat, um damit in Frage kommende Plattenfirmen zu bemustern, dass sofort eine Band gegründet werden müsse, um vor den Plattenfirmen in Hamburg ein Konzert zu veranstalten und das Udo nebst Freundin herzliche Grüße ausrichten ließe. Fast gleichzeitig kündigte mir   Exrammsteinmanager Falco Richter, den mir alle nach Schubis Auftauchen auszureden versuchten, schriftlich die Kündigung der Zusammenarbeit mit. Scheinbar hatte er von dem Hamburg Besuch erfahren. Ich war froh, dass mir eine Entscheidung abgenommen wurde. Später sollte ich mich noch jahrelang darüber ärgern. Trotzdem bot uns Falco Richter großzügig an, einen von ihm schon organisierten 20 minütigen Auftritt vor Willy Devile in der Berliner zehntausend Leute fassenden Arena in zwei Wochen wahrzunehmen. Ich kannte diesen amerikanischen Superstar mit einem Namen wie Mick Jagger von Fernsehbildern, aber ich wußte nicht, dass das Willy Devile war.  

Die Band wurde sofort aus den meisten der bei der CD mitwirkenden Musiker gegründet und bestand mit Ausnahme des Schlagzeugers aus allen Musikern von Engerling, dem Bandchef und Keyborder Body Bodack, dem Gitarristen Heiner Witte, dem Bassisten Manne Pokrandt und dem Engerlingtechniker und bei mir als Trompeter, Konzertgitarrist und Percussionist agierenden Lutz Gühne und zusätzlich aus dem zweiten Gitarristen Heinz Glas, dem Saxophonisten Ufo und dem Schlagzeuger Friedemann Schulz. Mit mir 8 Leute. Auch daran erkennt man, wie großspurig das Ganze angelegt war.

Zwischen den einwöchigen Bandproben auf der Bühne des Kulturhauses in Weißensee fiel mir ein durchgängiges Konzept für komische Zwischentexte ein, die für die Originalität des Live-Projektes "Ich bin Hannaske" sorgten und beim Publikum bei den Doppelkonzerten rund um Berlin mit Hannaske als Vorband von Engerling sehr gut ankamen.

Das Angebot in der Arena vor Willy Devile zu spielen wurde als zu kurzfristig vom Manager und von der Band abgelehnt. Als mit Bandproben Unerfahrener vertraute ich leider den Profis. Später studierten wir das dreifache Repertoire in einer Woche ein ! Alles war auf großen Erfolg ausgerichtet und alle hatten schon die Dollar-Noten in den Augen und zwar so sehr, dass man es sich überheblich zu leisten glaubte, auf einen Auftritt im Vorprogram von Willy Devile zu verzichten. Falco Richter konnte es nicht fassen ! Und im Nachhinein können ich und die anderen Beteiligten das auch nicht mehr.

Und schließlich hatten die mit der CD bemusterten Plattenkonzerne scheinbar gar nicht so begeistert reagiert, was uns Schubert nur langsam und indirekt zu verstehen gab bzw. was an seinem Verhaltensweisen abzulesen war. Und die Tatsache, dass sogar ein Verlagschef von Polygram mit der CD bei seiner eigenen und anderen Plattenfirmen erfolglos war und dass der, wie sich jetzt heraustellte, bankrotte Manager Schubert keine Vorfinanzierung eines Konzertes in Hamburg ohne Unterstützung von Polygram riskieren konnte, führten letztlich zur Totalernüchterung. Wenn nicht mal der, wer denn dann ? Das wegen Unpässlichkeit von Schubi auf mein Bitten von Falco Richter in letzter Sekunde noch halbwegs beworbene in Hamburg geplante Konzert fand dann im berühmten Ostberliner Franz-Klub statt. Stumpen von Knorkator sagte mich an !!!

Trotz großen Lampenfiebers klappte alles. Die Zuschauer waren wie der Veranstalter begeistert, was auch ein Mitarbeiter von Polygram vor Ort mitbekam. Doch könne er kaum was machen, sagte er, wenn die CD dort schon bekannt sei. Der im Saale sitzende Besitzer einer großen bekannten Berliner Kneipenkette erklärte sich bereit, das Projekt zu sponsoren. Ein zweiter Manager aus Westberlin erklärte großmundig, dass er jetzt "Nägel mit Köpfen" zu machen gedenke, worauf unser Gitarrist Heinz Glas mir ins Ohr flüsterte, dass er das in seiner Kariere schon hundertmal gehört hätte. Und er hatte mit seiner Skepsis natürlich recht.

Studiochef und CD-Produzent und Bandbassist Manne Pokrandt legte den Kneipenkettenbesitzer im Einvernehmen mit dem Manager einen derart hohen Sponsoringkostenvoranschlag vor, dass der danach nie mehr gesehen wurde.

Irgendwann wollte ein Redakteur der ZDF-Hitparade den Titel "Anne-Marianne" von meiner CD ins Fernsehen vorstellen. Die anderen beiden Redakteure waren leider dagegen.


Nach dem Franz-Klub-konzert fand dann 96 im Herbst nur noch ein Konzert in der Waabe auch mit sehr großem Anklang statt.

Auf Extrawunsch der Veranstalter Ines und Dieter Gester fand dann im Frühjahr 1997 die Wiederholung des Doppelkonzert Hannaske/Engerling vom Vorjahr im Berliner Vorort Bestensee statt, in dem die zu meinen Freunden gewordenen Gesters mehr CD's verkauften, als der Ort Einwohner hat. Ich freute mich, dass viele Leute schon wegen "Hannaske" und nicht nur wegen Engerling gekommen waren, teilweise mit Spruchbänder und dass einige schon die sich immer wiederholenden Teile meiner originellen Zwischentexte mitsprachen.

Der Engerling Band Chef und Keyborder beim Hannaske-Projekt freute sich trotz Doppelbezahlung scheinbar weniger und kündigte, in seiner Ehre gekränkt, das einzig noch zum Bekanntspielen geeignete Doppelkonzertmodell. Jedenfalls teilte er das noch in der gleichen Nacht heimlich seinen Musikern in einer Kneipe am Kollwitzplatz mit, als ich glücklich und nichtsahnend den gelungenen Auftritt feierte.

Jetzt hatte ich keine Band mehr, keinen Manager und keine Auftrittsmöglichkeiten und war auch aufgrund einer neuen Arbeit als Programmierer 1998 bei einer Softwarefirma Berlin-Friedenau mit dem Aufbau einer neuen Band völlig überfordert, zumal ich für Begeisterung auslösende Managementaufgaben völlig ungeeignet bin.  

Nach einem Open-Air-Auftritt in Klein-Machnow 1996 im Vorfeld des Franz-Klub-Konzertes lernte ich den in Potsdam und Umgebung bekannten Enterntaier Hubert Schabulke und seinen Manager Achim Pickel kennen, der den Weg zu dem von ihm geleiteten Jugendklub entsprechend meines bloß witzig gemeinten Wunsches in groß ausgeschilderte "Hannaske Allee" benannte, als ich mal auf seine Einladung hin den Klub alleine besuchte und ein paar neue Songs auf der Gitarre vorspielte. Daraus ergab sich eine jahrelange Freundschaft zu ihm und Hubert nebst Freundin Lotti. Aber mehr als ein gemeinsamer Halb-Play-Back-Open-Air-Auftritt kam letztlich dabei nicht heraus.

1998, als ich nach zwei ABM-Stellen als Programmierer wieder eine Festanstellung bei einer Firma in Berlin Friedenau bekam, sollte nach einem Halbplayback Auftritt beim 50.Geburtstag vom Manager Schubi auf dessen Initiative hin noch mal eine neue Band gegründet werden unter Leitung von Klaus Maser, Exgitarrist von Stefan Reim. Mit ihm stellte ich live beim sonntäglichen Klatschkaffee von Radio Antenne Brandenburg den neuen Song "Die große Welt" vor. Aber die erste Probe machte schon Probleme der Bandbesetzung deutlich und ich verständigte mich mit Maser deshalb erstmal auf eine Entwicklungsarbeit zwischen uns beiden, die dann aber auch einschlief, weil von allen Seiten die antreibende Kraft fehlte.

Der Pfarrer Dr. Andreas Karras aus Görzig bei Leipzig und danach langjähriger Freund, bekam meine CD in die Hände und überzeugte mich weiter zu machen und versuchte sich um Sponsoring zu kümmern. Deshalb produzierte Manne Pokrandt mit dem Gitarristen Heimo kostenlos eine Demo-CD mit 4 Titeln . Aber das Sponsorentreffen und die Einberufung einer neuen Managerin brachte letzlich auch keine fruchtbaren Resultate hervor.

Im Jahr 2000 überredete Manne Pokrandt mich noch, meinen Geburtstag in seinem neuen Studio mit Musiker, Veranstalter und mögliche Sponsoren zu feiern und das mit  einer Vorführung des Videos vom Franz-Klub-Konzert zu verbinden, um dadurch das Projekt noch mal zu aktivieren. Alle anwesenden Musiker, davon die meisten erstmalig, schauten sich wie gebannt das Video an und alle fragten sich verwundert, warum nichts aus dem Projekt geworden ist. Man versprach, irgendwie weiterzumachen. Und das wars aber dann auch.