Der Blinde und der Parteisekretär

Ich saß in einer Kneipe, wie sie hieß weiß ich nicht,
da hat mir ein Mann erzählt 'ne Geschicht.
die war in seinem Betrieb passiert
und die hat mich zu einem Lied inspiriert.
Das sing' ich Euch jetzt, hört doch mal her,
es heißt "Der Blinde und der Parteisekretär".
Es heißt "Der Blinde und der Parteisekretär".

Ich kenne einen Mann, der mir vetraut ist,
er ist in einem Großbetrieb Telefonist,
er verbindet dort die Telefone,
mal macht er's mit Spaß und manchmal auch ohne,
doch er ist froh, daß er nützlich sein kann,
wer braucht denn schon sonst 'nen blinden Mann,
er weiß er ist wichtig im Betrieb,
und er hat seine Arbeit deshalb auch lieb,
und weil er blind und wohnt drei Kilometer weit,
holt ein Betriebsauto ihn früh zur Arbeit
und schafft ihn abends dann wieder nachhaus,
so ging es bis gestern tagein und tagaus,
so ging es bis gestern tagein und tagaus.

Weißt Du noch wie dies Lied heißt ?
Was, Du weißt es nicht mehr ?
Es heißt der Blinde und der Parteisekretär,
es heißt der Blinde und der Parteisekretär.

In diesem Jahr, wie jeder weiß,
da stieg auch bei uns der Roherdölpreis,
und jeder Betrien hat die Anordnung erfahren,
es ist mit Benzin und mit Diesel zu sparen.
Der Parteisehretär, der die Anotrdnung kennt,
er schlägt gleich nach im Parteitagsdokument,
denn er möcht zugerne wissen,
ob Blinde auch wirklich abgeholt werden müssen,
doch da er nichts darüber findet,
wie man sich verhält, wenn einer erblindet,
schlägt er gleich nach bei Lenin's Werk,
doch ohne Erfolg, auch bei Marx kein Vermerk,
und er kommt schließlich zum Entschluß,
daß der Blinde ab heut mit dem Bus fahren muß.

Weißt Du noch wie dies Lied heißt ?
Was, Du weißt es nicht mehr ?
Es heißt der Blinde und der Parteisekretär,
es heißt der Blinde und der Parteisekretär.

Der Parteisekretär, er ist mit sich zufrieden,
denn er weiß ja nun, er hat richtig entschieden,
und schriftlich gibt er dem Blinden Bescheid,
den Beschluß zur Erhöhung des Blinden Selbstständigkeit.
er geht zum Telefon und er wählt einmal,
und der Betriebswolga fährt ihn ins Speiselokal,
das ist exklusiov und nur drei Kilometer weit,
hier ißt er jeden Tag, laß es Dir schmecken Mahlzeit.

Weißt Du noch wie dies Lied heißt ?
Was, Du weißt es nicht mehr ?
Es heißt der Blinde und der Parteisekretär,
es heißt der Blinde und der Parteisekretär.

Und die Moral von der Geschicht,
an den Blindenbinden erkennst Du die Blinden nicht.
Wirklich Blinde erkennst Du unschwer,
am Blindenabzeichen an dem Revers.

Weißt Du noch, wie dies Lied heißt ?
Was, Du weißt es nicht mehr ?
Es heißt der Blinde und der Parteisekretär,
es heißt der Blinde und der Parteisekretär.



(Anmerkung:
Das Lied  habe ich bereits 1976, im Jahr der Biermannausbürgerung,  als Student der TU Dresden beim Matheball vor versammelten Funktionären der Sektion Mathematik vorgetragen und bin deshalb nur knapp einer Exmatrikulation entgangen. Da ich glücklicherweise der vom Prorektor noch am gleichen Abend mir persönlich mitgeteilten Vorladung  einfach nicht nachgekommen bin, wurde mir das erst fast ein Jahr später bewußt, als mir jeder öffentliche Auftritt als Mitglied des Faschingselferrates vom Parteisekretär der Sektion untersagt wurde.

Damals war das Lied allerdings noch ohne letzte Strophe "Und die Moral....".
Ebenso ohne den Refrain "Weißt Du noch ....", der zwischenzeitlich wie auf der Kassette "Die Herabwürdigung" eingeleitet wurde mit

"Der Mann an meinem Tisch, sagte nach jedem Bier
immer wieder und wieder und wieder zu mir :"

und lautete:

"Du erkennst die Blinden
nicht an den Blindenbinden.
Wirklich Blinde tragen
Blindenabzeichen am Kragen.
Doch bei den meisten Blinden,
wirst Du auch das nicht finden,
weißt Du soviele sind
in diesem Lande blind.".


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